Was am Anfang war, das wissen wir nicht so genau. Es ist zu lange her, und unsere Priester waren zu berauscht vom Genuß der Heiligen Pilze, die ihnen den Zugang zu Göttlicher Weisheit gewähren. Aber eines wissen wir genau: Es gab eine Zeit vor dem großen Mykodelirium, und von diesem soll nun berichtet werden.
Es war Chaos. Es war Blut. Es war Kampf. Großes Blutvergießen war auf der Welt, und es kämpfte der Sohn mit dem Vater, und der Vater kämpfte mit dem Sohn. Töchter gebaren ihren Brüdern Kinder, und Mütter ihren Söhnen. Blut war überall, und überall war große Unzucht. Es war die Zeit des Bürgerkrieges. Jeder kämpfte gegen jeden, es galten nicht mehr die Bande der Familie, nicht die der Freundschaft. Und als das Grauen am größten war, da begannen viele denkende Wesen, an die Ränder der Welt zu fliehen, da sie in der Einsamkeit der Wälder Frieden suchten. Und so verbreitete sich das Chaos über die ganze Welt.
Nun geschah es, daß eine versprengte Armee der Horraskrieger an den Rand der Welt kam, dahin, wo wir die Große Kante vermuten, über die alles ins Nichts stürzt, wenn es ihr zu nahe kommt. Und diese Horrasarmee war klein, sehr klein sogar. In alten Überlieferungen wird gesagt, daß diese Armee nur noch aus zwei Kriegern und einer Marketenderin bestand. Da war zum ersten der Horrasgeneral, ein Wesen mit dem Namen Karl. Zum zweiten war da sein Horrasschamane mit dem Namen Klaus, und die Marketenderin hieß Helga. Karl aber war ein gewaltiger Krieger und wurde deshalb Prügelkarl genannt. Er hatte, allein auf weiter Flur, nur mit einem hölzernen Prügel bewaffnet und ohne jede Hilfe, acht der verruchten Elascar erschlagen, als diese noch die Welt bedrohten. Von Klaus aber wird berichtet, er sei von außergewöhnlicher Klugheit gewesen, und deshalb wurde er Narrenklaus genannt. Helga dagegen wurde ihres Marketenderwagens wegen, der immer voll mit Bierfässern beladen war, Saufhelga gerufen.
Dann, ganz am Rande der Welt, den zuvor niemand sah, schlugen die drei ein Lager auf und wähnten sich allein. Im Baum aber, mitten im Geäst, saß ein Kobold über ihnen. Kobolde sind ja nun bekannt dafür, daß sie irre sind, und dieser Kobold war noch irrer als andere Kobolde. Während nun Prügelkarl, Narrenklaus und Saufhelga unter ihm lagerten und Saufhelga ein neues Faß Bier öffnete, ließ der Kobold einen kleinen Pilz in das Faß fallen. Das aber war kein gewöhnlicher Pilz, und es war auch kein Giftpilz. Es war der Gelbkappige Wahnpilz, den nur die Kobolde kennen und zu finden wissen. Diesen Pilz nun ließ er unbemerkt in das geöffnete Bierfaß fallen, und dann verschwand er in höchster Eile. Er wollte die Wirkung aus sicherer Entfernung beobachten.
Als nun der Prügelkarl, der Narrenklaus und die Saufhelga von dem Biere tranken, da war die Wirkung wunderbar: Erst verdrehten alle drei die Augen, denn sie hatten einen kräftigen Schluck genommen. Dann rannten sie hinter die Büsche. Dann aber kamen sie zurück und tranken daß Faß leer. Der Prügelkarl nun war der erste am Faß, und er trank am meisten. Dann, da das Faß leer war, fielen alle in einen tiefen Schlaf, und niemand weiß genau, wie lange sie schliefen. Die einen sagen, sie hätten drei Jahre geschlafen, die anderen meinen, es wären wenigstens dreihundert oder mehr Jahre des Schlafes gewesen. Daher kommt es, daß wir die Jahre nicht mehr zählen, denn niemand weiß mit Bestimmtheit zu sagen, wieviel Zeit seitdem vergangen ist. Diesen Schlaf nun nennen wir Mykodelirium, das heißt "Pilzrausch".
Prügelkarl war der erste, der erwachte. Seine Augen zuckten, seine Haut leuchtete selbst im Dunkel, und sein Haar stand ab in alle Richtungen. Nun er sah, wie er leuchtete, rief er aus: "Sehet, meine Kinder, ich bin erleuchtet!" Von diesem Ruf aber erwachten der Narrenklaus und die Saufhelga, und sie betrachteten sich und riefen: "Sehet, auch wir sind erleuchtet!" Prügelkarl hatte nun seine erste Eingebung. Er erinnerte sich dunkel an die Kriegwirren, denen sie entkommen waren, und er wollte den ewigen Frieden über die Welt bringen und Haß durch Liebe ersetzen. Deshalb sprach er: "Nehmet das Schwert und traget die Liebe in alle Welt!" Dieses nun ist das Erste Gebot und das wichtigste Gebot, das er allen denkenden Wesen brachte. Der Narrenklaus aber sprach: "Welch köstlicher und wunderbarer Trunk war das, den wir genossen haben! Ich fühle Weisheit, Göttlichkeit und Unsterblichkeit durch meine Adern rinnen." Prügelkarl entgegnete: "Wir fühlen nun alle Weisheit, Göttlichkeit und Unsterblichkeit durch unsere Adern rinnen, und wir sind alle erleuchtet, und das sogar im Dunkeln. Wir sind also Götter, und wir werden die Liebe zu allen Sterblichen bringen, auf daß sie ewig herrsche."
Der Kobold aber, der den Pilz ins Bier getan hatte, war über der langen Warterei selbst in tiefen Schlaf getrunken und schnarchte laut, so daß die Göttlichen Drei ihn bemerkten und ergiffen. Da sah der Kobold, was der Pilz alles bewirkt hatte, und er sank voller Ehrfurcht vor den Göttlichen Drei auf die Knie und berichtete von dem Pilz. Er lehrte sie noch so manches Geheimnis über berauschende Pilze. Dann töteten die Göttlichen Drei den Kobold und brieten und verspeisten ihn, und er schmeckte ihnen sehr. Seitdem sind die Kobolde heilige Wesen, und man soll sie voller Andacht verspeisen, denn das ist ein göttergefälliges Werk, und sie schmecken gar gut.
So wurden der Prügelkarl, der Narrenklaus und die Saufhelga erleuchtet, und so wurden sie zu Göttern. Sie brachten die Liebe in die Welt, und sie kämpften gegen gar viele böse Wesen, die der Liebe entgegenstanden. Und Prügelkarl gab seinen Anhängern das erste Gebot auf den Weg: "Nehmet das Schwert und traget die Liebe in alle Welt!" Ihren Priestern aber gaben sie Kenntnis über Wirkung und Gebrauch des Gelbkappigen Wahnpilzes, um die Gemeinschaft der Liebenden zu fördern, die Weisheit zu erlangen und Liebe zu verbreiten. Und im Rausche des Pilzes offenbaren sie sich und senden Erleuchtungen über die Sterblichen. Das Zeichen aber der Liebe und des Glaubens sollte der Gelbkappige Wahnpilz sein.
Zitat von Gebote des Prügelkarl1. Nehmet das Schwert und traget die Liebe in alle Welt. 2. Du sollst die Liebe und den Glauben an den Gott der Liebe in alle Welt hinaustragen und verbreiten. 3. Du sollst die, die nicht an die Liebe und an den Gott der Liebe glauben, züchtigen, bis sie meines Sinnes werden. 4. Wer liebt, der soll auch züchtigen. 5. Du sollst ein Reich der Liebe errichten mit festen Grenzen, und Du sollst daraus alle die mit dem Schwert vertreiben, die nicht voller Liebe sind. 6. Wenn Dir einer auf die Linke schlägt, dann schlag auch du ihm auf die Linke - und auf die Rechte dazu, denn Geben besser ist denn Nehmen. 7. Gib jedem deine Liebe, und wenn er sie nicht will, dann prügel ihn, bis auch er dich liebt. 8. Liebe deinen Nächsten, und hilf ihm beim Tragen seines Gepäcks. 9. Liebe deinen Nächsten und nimm von ihm die Bürde des Besitzes. 10. Trinke mit allen, die dich lieben, den anderen aber prügele deine Liebe ein.
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Ich diene Prügelkarl, dem Gott der Liebe, und ich diene Narrenklaus, dem Gott der Weisheit, und ich diene Saufhelga, der Göttin der Gemeinschaft. _________________________________________________
Eines Tages, und das war schon lange nach dem Mykodelirium, da ging Karl alleine in den Wald auf Jagd. Er wanderte durch Sümpfe, überstieg hohe Berge und kletterte auf Bäume. Er zählte nicht die Tage, die er unterwegs war, und seine Beute war reichlich, denn er war ein großer Jäger. Als er nun aber im höchsten Gebirge war, das er je gesehen hatte, da legte Karl sich in einer Höhle nieder zum Schlafe, neben sich seinen Holzprügel als seine Waffe. Bald schon begann er zu schnarchen, daß das ganze Gebirge erbebte, denn Karl war auch ein großer Schnarcher. Von dem Geschnarche aber erwachte ein gewaltiger Bär, der in der Höhle lebte, und ging zu Karl und schlug mit seiner Tatze gar kräftig nach ihm. Karl aber kratzte sich nur an der Stelle, wo der Bär ihn getroffen hatte, und schlief weiter. Nun schlug der Bär ein zweites mal zu, und er hinterließ einen blutigen Striemen auf Karls Haut. Karl schlug im Schlafe mit seiner Hand nach der Stelle und murmelte: "Was juckt denn da so?" Dann schlief er weiter. Der Bär wurde nun richtig böse, da er sah, daß seine kräftigen Tatzenhiebe keine Wirkung hatten. Er nahm alle seine Kräfte zusammen und schlug mit seiner Pranke wieder nach Karl. "Himmelsapperlot!", rief da Karl, "was gibt es hier für Mücken!" Er schlug im Halbschlafe mit seinem Holzprügel um sich und traf den Bären, der wie vom Blitze getroffen zu Boden ging, und dann schnarchte er weiter. Am nächsten Morgen erwachte Karl und sah neben sich einen gewaltigen Bären liegen. Dieser Bär gefiel ihm, und ihm wurde klar, daß dieser Bär die nächtliche "Mücke" war. Er stubste den Bären an, bis dieser erwachte, und siehe da, der Bär war voller Angst vor Karl. Karl aber gab dem Bären etwas Futter und nahm ihn mit sich. Der Bär erkannte ihn als den Stärkeren an und folgte Karl von nun an bereitwillig, den n er merkte, daß Karl ihn gut behandelte. So kam Karl zu seinem Bären, und der Bär wurde sein Heiliges Tier.
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Ich diene Prügelkarl, dem Gott der Liebe, und ich diene Narrenklaus, dem Gott der Weisheit, und ich diene Saufhelga, der Göttin der Gemeinschaft. _________________________________________________